Auszüge aus dem Buch: „Die Botschaft der Pferde“ – von Klaus Ferdinand Hempfling:
„Als ich die Wild-Pferde gefunden habe konnte ich keinen Hauch Freude in mir darüber entdecken, dass ich sie gefunden hatte. Es war eben, wie es war, und mehr nicht. Der Zustand in dem ich mich befand, war viel wichtiger, als alles das, was ich tat, und als alles das, was ich sehen und denken sollte. Dieser Zustand war Ausgangspunkt, Weg und Ziel in einem. Ich war einfach nur. Ich war und handelte ohne einen inneren Motor zu verspüren.
Die
erste Begegnung mit dem wilden Pferd war, dass es sich selbst ist, es selbst, es ganz
allein. Da ist nur ungebrochenes Vertrauen in seine Welt. Es ist pures, reines
Existieren. Im Gegensatz zu den Pferden in den Reitställen: gefangen, Gerten,
Peitschen, Gurte, Käfige, und Transporte. Die Menschen, sie fluchen, schlagen,
fordern, drängen und drücken….
Die wilden Pferde sind in meiner Nähe geblieben, weil sie erkennen konnten, dass
ich nichts von ihnen wollte. Und wenn ich mich in den Jahren danach auch den
gefährlichsten Pferden näherte, den wildgemachten, den verrücktgemachten –
immer wieder aufs neue entstand in mir dieses Bild. Der Eindruck dieses Augenblicks:
Alles in mir drückte nur eines aus: „Ich will nichts von euch, ich will nichts
von dir“. Das war der Zugang, der der
Schlüssel, der Ausgangspunkt für ein zukünftiges Zusammensein mit den Pferden.
Und es war der Ausgangspunkt für die Reise in mich selbst. Mir wurde klar, dass es nur eine Form geben
kann, sich diesen Wesen ihnen gemäß zu nähern: indem die innere Wahrhaftigkeit
eines Menschen sein Wesen und seinen Körper so zu durchdringen vermag, dass seine
ganze äußere Erscheinung hiervon kündet. Und wie ich so dicht bei ihnen stand,
bei den Pferden, den wilden, den wahrhaft lebendigen, den beseelten, den
friedfertigen, den geduldigen, und sich nichts von dem in mir regte, was ich
aus den Jahren zuvor kannte, da wusste ich, dass ich hier die erste und größte
Aufgabe zu bewältigen hatte. Nämlich in diesem Zustand zurückzufinden, auch
dann, wenn das Getriebe der Welt mich zu zermalmen drohte.
Die
Herde erlebte ich als eine Einheit, es war etwas Zusammengehörendes und nicht
mehr bloß die Summe aller Einzelteile. Nein, das eine war ohne das andere nicht
zu denken. Da waren nicht ein Hengst und eine Herde, da waren nicht die eine
oder andere Stute oder ein Fohlen, da war etwas Ganzes, das in sich organisiert
und strukturiert war. Mir wurde klar, dass ich zu dieser Einheit in diesem
Augenblick gehörte. Ich ging einen Schritt zurück. Dann geschah folgendes, der
Hengst folgte jedem meiner Schritte. Ich war ein Teil des Ganzen und formte das
Ganze. Mir wurde in diesem Augenblick klar, dass das Zusammensein und die
Verständigung mit diesen Wesen nur erfolgen kann, wenn es in ihrem Sinn
erfolgt, im Sinne dieser Gemeinsamkeit und mit Hilfe jener Sprache, die die
ihre ist. Es ist die Sprache der Sinne, des Körpers und des augenblicklichen
Erfühlen und Erlebens.
Ich
beobachtete die Pferde-Herde. Das Wesen, das ich immer mehr sehe, agiert am
allerwenigsten von allen. Hager ist sie, klein und schmächtig. Und wie ich sie
so sehe mit den Tagen, da sehe ich in ihr ebensolche Schönheit wie in dem
Hengst. Eine andere Schönheit. Ihre Macht aber, ja, das wird mir immer
deutlicher, ihre Macht ist ungleich größer. Sie ist die wahre Kraft in dieser
Gemeinschaft. Sie ist die Seele des Ganzen. Das Pferd führt, ohne im Mindesten
herrschsüchtig zu sein, das leitet, unaufhörlich und immerfort, ohne zu
drängen, zu drücken, zu fordern, ohne zu pressen, ohne Gewalt, ohne irgendeine
Demonstration seiner Macht: die Leitstute, zurückhaltend und ausweichend. Die
anderen Pferde spielten miteinander, die Stute aber war die meiste Zeit allein.
Doch ihr Wesen und ihre Kraft schien alles auszufüllen, ohne dass sie etwas
tat, sie war einfach da. Und niemals kämpfte sie mit einer der anderen Stuten.
Sie ging durch ihre Herde und wurde einfach akzeptiert. Ich kam zu der
Erkenntnis, dass es nur einen Weg geben kann, sich diesen Wesen zu nähern.
Nämlich jene Würde in sich zu schaffen, jene innere Größe und Reinheit, die das
Pferd erkennen und akzeptieren, die es schätzen und achten und der es dann
ebenso wie in der Natur freiwillig folgen kann. Das ist die Spur, die zu ihrem
Geheimnis führen muss, zum Geheimnis der Amazonen, der Ritter. Sie formten ihre
Persönlichkeit in eben jener Größe aus, in jener Würde und mit all den
Qualitäten, die in der Welt der Tiere wirklich zählen und wirkliches Vertrauen
heranreifen lassen.
Wenn
ich die Pferde würdigen und respektieren will, dann kann der erste Schritt nur
der sein, mich ihnen anzunähern, nicht die Arroganz aufzubringen und von ihnen
zu verlangen, in meine Welt zu kommen, denn das ist eine Welt der Vergewaltigung
und des Kampfes, der Wut und des Zornes, der Eitelkeiten und des Erfolges, des
Ehrgeizes und der Konkurrenz. Die Menschen müssen bei sich anfangen, ganz tief
in sich selbst, denn dann erkennt dich das Pferd, und dann wird es dir folgen,
ohne Zwang und ohne Kampf und ohne Gerte und ohne diese miese Tour. Es wird dir
folgen, weil es in dir Vertrauen, Schutz und Größe findet, jene Qualität, die
es aus der Welt der Pferde kennt. Und die Menschen fangen womöglich an zu
lieben, wirklich zu lieben.
Wenn
man das Wort Häuptling aus der Indianersprache übersetzt, dann bedeutet es so
viel wie der Dienende.
Das
Leitstutenprinzip: Will ein Wesen andere leiten und dies im Sinne der Natur
tun, dann muss es im Sinne der Wesen handeln, nur und immerfort, denn nur so
wird dies ohne Gewalt und Unterdrückung möglich sein und nur so können sich
diese Wesen freiwillig anschließen. Und so ist derjenige, der die Verantwortung
für die Gruppe trägt, nicht jemand, der sich diese Stelle erkämpft hat, sondern
nur jemand, der sich diese Stelle er dient hat. Und die Natur erwählt jene zu
diesen Anführern, die allen anderen am meisten dienen. Und darum ist mein
erster Grundsatz für das Zusammensein mit den Pferden derjenige, dass alles
das, was ich tue, nur und ausschließlich für und im Sinne des Pferdes sein
muss, denn handle ich dagegen, dann handle ich gegen das wichtigste und erste
Prinzip der Natur. Es ist also eine Pflicht eines jeden Menschen, der mit
Pferden sein möchte, in diesem Sinne, in ihrem Sinne zu handeln. Und zuvor muss
er die Natur des Pferdes auf das gründlichste studieren, denn wie kann er in
ihrem Sinne handeln, wenn er sie nicht einmal versteht, sie niemals kennengelernt
hat. Man darf niemals den Freiheitsdrang der Pferde rauben. Die Zügel dürfen
nur eine symbolische Funktion erfüllen, und von jenem Sinn der Pferde, der all
der Grazie ihrer Bewegung zugrunde liegt. Von dem Sinn für das feinste
Gleichgewicht und von jenem Sein mit dem Pferd, das dieses Gleichgewicht
niemals stören darf, das sich diesem Gleichgewicht immer und in jeder Weise
einzufügen hat. Wir müssen den Drang entwickeln, von den Pferden zu lernen,
ihre Verspieltheit auch von den ältesten Stuten und von ihrer Wachheit und von
ihrer nie müde werdenden Neugierde und von ihrer Sinnlichkeit, von ihrer
Erfülltheit der Tage. Handelt man gegen die Prinzipien der Natur, dann handelt
man gegen das Urempfinden eines jeden Wesens. Handelt man aber gegen das Urempfinden
eines jeden Wesens, dann muss sich zwangläufig Widerstand aufbauen. Wende ich
aber Gewalt an, dann wird sich immer weiter der Widerstand in diesem Wesen
regen. Der Kampf findet kein Ende. Er mündet womöglich in schweren Verletzungen
für den Menschen, denn das Wesen spiegelt eben die immer größer werdende
Aggression und verhält sich dementsprechend.
Arbeite
Tag für Tag an den Qualitäten, die du bei den Pferden gefunden hast: für deine
Freiheit, für deine Unabhängigkeit, für deine Entfaltung, denn wie kannst du
einem anderen Wesen das zugestehen, was du selber nicht erfahren hast? Wie
kannst du ein anderes Wesen würdigen, wenn deine eigene Würde täglich in einer
unwürdigen Welt mit Füßen getreten wird? Wie kannst du für die Freiheit eines
anderen Wesens sorgen, wenn deine eigene eingeschnürt und von Kindesbeinen an
beschnitten wird? Vermeide in allem und unter allen Umständen jeden Kampf, denn
auch wenn du schließlich gewinnen solltest, hast du schon verloren in dem
Moment, wenn du den Kampf beginnst. Denn jeder Kampf ist das Zeichen großer
Schwäche, und die Mittel sind Gewalt und Aggression. Finde dein Gleichgewicht
in dir, körperlich und seelisch, denn wie kannst du dem feinen Sinn nach
Gleichgewicht des Pferdes und der Natur entsprechen, wenn in dir alles aus dem
Lot geraten ist? Erkenne das Leben als etwas, das immer geöffnet ist und sich
immer und mit Wucht dem Wachsen und dem Werden zuwendet, denn wie kannst du dem
Drang des Pferdes zu lernen und sich immerfort zu entwickeln, entsprechen, wenn
du schon lange in dir erstarrt bist? Finde die Einsicht in das, was du tust,
und handle einem klaren Drang in dir folgend, der sich zu begründen weiß, und
handle nicht, weil es die Routine oder ein anderer Mensch dir vorgibt.
Reagieren
sollte mein Körper. Ja – mein Körper sollte reagieren, nicht mein Kopf und
nicht mein Verstand. Ich fühlte, dass alles tief in mir war, wie in jedem
anderen Menschen auch. Alles ist da, wenn man nur den Willen aufbringt, es
entstehen, es gewähren zu lassen. Solange die Angst nicht höchste Wachsamkeit
ist, solange der Wunsch und das Gefühl, handeln zu wollen, nicht bloßes
Geschehen lassen ist, solange der Impuls, kämpfen zu müssen, nicht bloßes
Reagieren und Akzeptieren ist – solange würde sich nichts ändern an der
Reaktion meines Pferdes.
So könnten sie zusammenspielen, Körper und Geist – das eine könnte annehmen und
lieben, das andere einfach sein, seiner Natur, seinem Instinkt, seinem Unwissen
folgend. Und ich fühlte mich stark und kräftig, und ich spürte ein heftiges
Pulsieren in mir und warmes, sich sanft verströmendes Leben.
Achte
auf das „Wie“, achte darauf, wie du gehst, wie du dich bewegst, wie du mit
deinem Körper spielst und agierst.
Das
Pferd hat mir seinen Frieden gezeigt, den alle in sich tragen. Er hat ihn mir
gezeigt, weil ich nicht wollte, sondern war, wenn auch nur für einen winzigen
Augenblick. Die Pferde sind Zeugen für die Prozesse, die sich innerlich
abspielen in den Menschen. Sie sind der Spiegel für alles, für die Demütigungen
und Grausamkeiten, die Lügen und Eitelkeiten, aber ebenso für den Beginn der
Wahrheit.
Was
heißt es in Wahrheit, wenn wir sagen „ich liebe dich?“ Heißt das nicht in
Wahrheit „Ich will meine Einsamkeit durch dich verscheuchen, ich will meine
Sicherheit dadurch erreichen, dass ich deiner gewiss bin… Erst dann, wenn ich
die Kraft zu leben und zu sein in mir finde, in mir selbst, kann ich nicht erst
dann auf Wesen zugehen, auf Menschen wie auf Tiere, und sie sein lassen, wie
sie sind und sagen: „Ich mag dich, ohne etwas dafür zu verlangen? Ohne Treue zu
fordern, Treue geben, ohne Liebe zu fordern Liebe geben, ohne Freundlichkeit zu
fordern, freundlich zu sein? Denn jetzt bin ich ja in mir, bin mit mir eins,
und ich brauche den anderen nicht mehr, um meiner Sicherheit oder Einsamkeit
willen. Ich kann jetzt, wenn der andere auf mich zukommt, dies als ein volles
Erleben und Glück erkennen, annehmen und schätzen, jetzt aber ohne jene Angst,
das gerade Gewonnene gleich wieder zu verlieren.
Und
ich denke an mein Vali, wie ich ihm heute so ganz anders begegnet bin. Ihm, der
sich mit seinem starken Charakter den Menschen verweigert hatte über Jahre, der
sich hat schlagen lassen und quälen. Jeden einzelnen Schlag hat er erlitten, um
immer nur eines zu sagen: „Erkenne doch, was du tust, erkenne doch, wie du
bist, schau doch, wie du dich verhältst, schau doch, an wem du dich vergreifst.
Siehst du denn nicht die Trauer in meinen Augen? Die Falten auf meiner Stirn?
Es ist leicht, mich zu verurteilen, mich zu demütigen, mich zu schlagen, mich
einfach zu benutzen, denn ich stehe in der Ecke und gebe keinen Laut von mir.
Alles Klagen, alles Weinen und alles Weh behalte ich bei mir bis an mein
Lebensende, bis zu meinem Tode! Wenn du doch nur einen Moment einfach schauen
würdest, doch nur einen einzigen Augenblick nicht auf dich, nicht auf dein
Wollen, nicht auf deine Angst, sondern nur auf mich schauen wolltest als ein
Wesen, das lebt und lebendig ist wie du. Das nichts weiter in sich trägt als
ein großes Geschenk für dich, nämlich dich selbst!“
Wenn
Vali und ich jetzt zusammenkommen, bildet sich etwas Neues, etwas das neu
geboren wird, und dann auseinanderfällt, wenn wir uns trennen. Dazwischen aber
ist die Schöpfung, die wir miteinander vollziehen, ist der Raum, den wir
miteinander bilden, ist jene Wahrheit, die mit, zwischen und durch uns
entsteht.
Ich denke nicht daran, was ich tue, denn dann wird er wieder flüchten. Ich
bleib bei mir und in diesem Augenblick. Ich bin das Pferd, sein Rücken und
meine Hand. Ich bin alles das. Erst in der Verbindung wird er vertrauen, denn
in der Verbindung spürt er mich, und wenn er mich spürt, zerstreut sich seine
Angst. Und wenn sich seine Angst zerstreut, zerstreuen sich seine Erinnerungen,
und wenn sich seine Erinnerungen zerstreuen, dann kann auch er mich sehen, wie
ich jetzt bin.
Und so erkannte ich durch mein Pferd mehr und mehr mich selber, meine Zerstreutheit
oder meine Tiefe, meine Oberflächlichkeit oder meinen Ernst, meine
vordergründige Angst oder mein warmes, mitfühlendes, sich öffnendes Sein. Das
Pferd erblühte mit den Wochen trotz seines Alters, seine Augen leuchteten, sein
Fell glänzte, seine Schritte wurden erhaben und sein Wesen stolz. Schließlich
ließ mich Vali auf seinen Rücken. Ich war wachsam und fühlte alles nur über
mein Pferd. Ich fühlte die Erde unter mir mit und durch seinen Körper. Ich
bewegte mich mit ihm, als bewegte er sich durch mich. Wenn ich mich in meiner
Vorstellung von ihm trenne, dann ist er allein, und er wird handeln, als wäre
er allein. Und alles zerbricht unter meinen Händen. Nur wenn ich die Verbindung
wirklich fühle, wenn ich die Erde spüre unter mir, jeden Stein, den staubigen
Boden und das weiche Moos, ebenso, wie es das Pferd unter mir fühlt, dann wird
es die Welt mit meinen Augen sehen. Und sein Wollen ist das meine, und sein
Handeln sind die Früchte jener Wünsche, die sich in mir schon lange
verflüchtigt haben.
Der
alte sagte zu mir: „ Deine Fragen, deine Zweifel, deine Angst, alles ist dir
noch immer deutlich ins Gesicht gegraben. Wann denn erkennst du, dass jeder
Halt nur eine Krücke ist? Und jedes Mal, wenn du sie verlierst, drohst du hinzufallen,
zu stürzen. Warum hältst du dich nur so fest? Du stehst doch vor den Toren,
stoße sich doch auf. Pflücke sie doch nur, die Frucht, die dir die Pferde gereicht haben. Sie haben dir doch
schon so viel gezeigt. Würdest du ihnen und dir selbst doch nur ein Stückchen
mehr vertrauen. Du windest dich und wehrst dich wie ein in Ketten liedengender
Gefangener, der seinen Befreiern entgegenschreit, sie sollen ihn nicht
berauben, nur weil sie ihm die Ketten nehmen wollen, die ihn halten.“
„Schau
auf meine Hand. Das ist die Hand eines alten Mannes. Es ist Gewebe, es sind
Zellen, es sind Knochen, Adern und in ihnen fließt das Blut. Aber ist das ihre
ganze Wahrheit? Schau doch, was sie alles auszudrücken, was sie alles zu sagen
hat! Spricht nicht meine Hand das meine, so wie deine Hand das deine? Aber was
ist das für eine Sprache, und was ist es, das sie ausdrückt? Es ist die Sprache
des Unsichtbaren – es ist die Sprache des Gefühls. Das ist es, was dich schon
die wilden Pferde lehrten und die Unbedingtheit der Natur. Aber was du erfahren
hast, ist nur ein einziger Splitter einer ganz anderen, gewaltigen Dimension.
Diese Sprache ist das Tor in die andere Welt. Denn über dem, was du siehst über
diese Hand aus Fleisch und Blut, schwebt eine ganz andere Realität. Doch welche
dieser beiden Realitäten ist in Wahrheit bedeutungsvoller für unser Dasein, für
unser Leben? Ist es bedeutungsvoll, dass
an dieser Stelle eine Ader verläuft, dass sie sich an jeder Stelle verzweigt
und dass die Haut der Innenfläche von hellerer Färbung ist als die Haut außen?
Ist das von Bedeutung? Oder ist es von Bedeutung, dass die eine Hand von Güte
spricht, von Geben von Lieben, und eine andere von Nehmen, von Zerstören und
von Leid? Was also ist wichtig? Das, was wir sehen, oder das, was wir nicht
sehen, was wir ganz anders erspüren? Die Sprache der Materie oder die Sprache
des Herzens, die Sprache der Seele?“
Das was du gesehen hast, war nicht eine Realität – es war nicht die Realität –
es war deine Realität. Es war ein Erleben, dein Fühlen, in diesem Augenblick!
Wahrheit aber ist das, was dein Selbst aus Sichtbarem und Unsichtbarem, aus
jedweder Art von Wahrnehmbarem, in genau dieser Sekunde formt. Dein Innerstes
knetet sich aus allem das Bild einer Wirklichkeit, von der du dann glaubst, sie
würde existieren. Erlangst du darüber Bewusstsein, dann vernimmst du, wie sich
Innen und Außen vermischen, wie sich die Grenzen auflösen und wie das, was du
für unantastbar existent hältst, zerfließt, zerschmilzt wie ein Stück Butter in
der Sonne. Und verfolgst du diesen Weg weiter, dann wird sich dir eine andere
Welt offenbaren. Jene, die das, was wir zu sehen vermeinen, umhüllt, es
überdeckt, ja es hervorbringt, es zeugt.“
„Und warum bewirken diese Bilder ein solches Grauen in mir? „Weil das eine ohne
das andere nicht sein kann. Die Sonne erzeugt und spendet Leben. Sie schenkt
Licht und Wärme und doch zerstört sich auch, vernichtet sie und schafft
Trockenheit, Dürre, Wüste, Katastrophen. Leben ist ohne den Tod nicht zu denken.
Das kalte Licht des Mondes nicht ohne die Glut der Sonne, das Glück nicht ohne
das Leid.“
„Für
unsere Vorfahren, die Kelten, sie kannten diese andere Welt. Es war ein Raum,
der die Gesetze unserer Logik durchbrach, der ihrer entbehrte, der sie gar nicht
kannte. Es war eine geistige, emotionale, spirituelle Welt. Es war ihre heilige
Welt.
Das
Zusammensein mit einem Pferd ist ein niemals endender Akt der Selbstbezwingung,
der Selbstbeherrschung. Die Existenz eines Pferdes neben dir fordert ohne
Unterlass, so du ein Mensch bist, der das Wahrhaftige sucht, deinen starken
guten Willen und deine Demut, und es drück auf deine Seele so lange, bis du das
Licht in ihr erkannt hast. Ein leibhaftiges Pferd neben dir ist wie ein
starker, guter Freund.
Den
Sinn unseres Lebens suchten unsere Vorfahren nicht in der Welt der Materie.
Diese starre Existenz suchten sie zu verlassen. Ihr ganzes Streben war darauf
gerichtet, einen Übergang zu finden in eine andere Welt. Und an dieser Stelle
sollten wir einen Augenblick innehalten. Es gab, so sagten sie, einen Übergang,
einen Weg in diese andere Welt. Aber gab es auch Wegweiser, gab es Hinweise,
gab es irgendetwas, was womöglich die Richtung bestimmte? Hier sind wir auf den
Spuren eines erstaunlichen Phänomens –
es gab sie nämlich, diese Hinweise und Wegweiser. Auf welche Art und Weise aber
sollte jemand, der sich hierin zu bewegen wusste – so er es überhaupt wollte –
davon berichten in der sichtbaren Welt kommunizieren? Dazu brauchte es einer
anderen Sprache. Es brauchte die Sprache der Bilder. Es brauchte die Sprache
der Symbole.
Die Seele lebt und schöpft in Bildern. Das Verständnis dieser Sprache der Seele
ist heute einem eingeengten rationalen Denken gewichen. Gewichen ist das reiche
Schwingen der Imagination, die sanfte Bewegung des Gemüts, das wundersame
Miteinander von Körper, Geist, Seele und Natur –verschlossen ist das Tor in die
andere Welt.
Die
keltischen Priester waren von einer beispiellosen Liberalität, von einer
bewundernswerten Freiheit des Denkens. Sie waren die Hüter der Toleranz, sie
ließen jeden einzelnen seine Götter. Sie waren wahrlich keine Phantasten. Und
doch geschah das Furchtbare in jener Nacht. Und es geschah unter dem Zeichen
des Pferdes. Unter dem Zeichen des weißen Pferdes. Es begann der leidvolle
Rückzug der Druiden, der Untergang der keltischen Welt der Welt unserer Väter.
Sie fürchteten nicht den Tod, sie liebten das Leben. Das war es, was sie mit
Begeisterung lehrten. Sie lehrten, ohne jemals Lehrer zu sein, denn jene, die
sich Lehrer nennen vermitteln sie nicht allzu oft nur starre Muster und Gesetze
statt Wahrheiten! Sie aber lebten. Und wo das Leben ist, kann sich kein starres
Muster halten. Denn Leben erzeugt immer größere Lebendigkeit, einen immer
größeren Drang nach Leben. Es ist wie ein unbändiger Hunger, eine Sehnsucht,
die sich im Entstehen erfüllt. Und da sie das Leben suchten, in allem um sich
herum, lehrten sie nur das eine: Lebe, lebe! Um Himmels willen lebe!
Das
Geheimnis des Ursymbols, des weißen Pferdes der Kelten, des Wappens der
Templer, um diese Geheimnisse hüllten sich bis heute die undurchsichtigen Nebel
der Unkenntnis, der Lüge und der Angst.
Was symbolisiert das Pferd, was symbolisieren die Drachen, wer ist der Held?
Warum siegen viele Helden nur mit ihrer Hilfe? Warum ist es immer ein Pferd?
Warum waren so viele Götter unserer Mythen und Sagen einst rossgestaltig? Wer
antwortet auf all diese Fragen?
Das
was damals geschah, in jener mondlosen Nacht, das Grauenhafte, sei kein
Einzelfall gewesen. Ähnlich rätselhaft wie der beinahe zeichenlose Niedergang
der keltischen Priester, der Druiden, haben sich auch Jahrhunderte später das
Verschwinden der Templer vollzogen, jener Mönchsgruppe, die den Pferden ähnlich
zugewandt waren wie die Druiden. Denn sie wussten, dass eine dunkle Zeit
anbrach… (sie opferten sich selber).
Warum ist das Symbol
des Pferdes so häufig in allen mythischen Darstellungen
unserer Kultur? Weil
dieses Symbol womöglich wie nichts anderes der sichtbaren Weld den Geist und
das Sein unserer Vorfahren und ihres Glaubens zu verkörpern vermochte?
Gott schuf den Menschen, damit er ihm diene. Gott schuf das Pferd, damit es
sich mit ihm verbünde. Unmittelbar vor uns liegt jetzt die gewaltige Wahrheit,
nach der wir, nach der du, nach der viele Menschen suchen. Vor uns liegt jetzt
der Schlüssel, von dem ich sprach. Ich will ihn aufheben für dich, um ihn dir
zu reichen. Was du gesucht hast bei den Pferden und gefunden, das waren die
ersten Wegweiser zur anderen Welt. Ihren Ausdruck finden wir in den Symbolen,
in den Bildern. Wodurch aber werden die eine und die andere Welt
zusammengehalten? Dieses feine Nadelöhr, jener Durchgang, er ist von dem
zartesten und feinsten Stoff, den man sich nur denken kann. Wie schnell ist er
zerstört – trennt sich das eine von dem anderen, die Welt der Menschen von der der Götter. Und
wenn sich die Welt der Götter von der der Menschen trennt, was bleibt dann
zurück? Die bloße Realität des Sichtbaren, alle materiellen Erscheinungen. Wenn
die eine Welt sich nicht in ihrem Wandel, in ihrem Sein der schöpferischen
Bewegung angleicht, dann zerreißt das feine Band, das sie zusammenhält, und die
Dinge und die Menschen erstarren. Himmel und Erde sind getrennt. Auf der Erde
herrschen Vernichtung und Gewalt. Denn das göttliche Odem beseelte warme Leben
ist verdrängt, denn Leben ist unaufhörliche Schöpfung, ist Bewegung!
Der Frieden ist dort sicher, wo man sich ohne
Unterbrechung rastlos um ihn bemüht, denn Frieden ist nicht Erstarrtes, Frieden
ist Bewegung. Liebe herrscht nur dann auf der Welt, wenn sich alles das verein:
das Leben, das Göttliche, die Weisheit, die Kraft, das Gefühl und der Friede.
Wenn aber alles das Bewegung ist, dann ist auch die Liebe Bewegung. Und wenn
Liebe Bewegung ist, dann ist auch Gott Bewegung. Das Pferd vereint diese
göttlichen Bewegungen: Stärke und Kraft, Demut und Reinheit, Geistigkeit und
edelster Schönheit auf das Wunderbarste.
Das weiße Pferd ist das Symbol der Ur-Christen,
denn ihnen zufolge ritt Christus nicht auf einem Esel, sondern auf einem weißen
Pferd. Es war das Symbol der Gralsucher, denn Parceval ist der Pferdekönig. Mit
der Kraft der Pferde siegten die Helden, denn sie waren das Symbol des
Göttlichen.
Und wenn du dich den Pferden in ihrem Sinne
nähern willst, dann musst du die drei Zentren deines Wesens in dir vereinigen.
Die Kraft alles Lebendigen!
Die Liebe als die Königin aller Emotionen!
Die Weisheit als die Frucht deines Geistes!
Darum auch schlugen sie es über hundert Meter
in die Felsen, denn:
Es ist nicht irgendein Pferd!
Es ist nicht irrgendein weißes Pferd!
Es ist das Bild der Urgötter, das Wahrzeichen eines freien, beweglichen, sich
mit der Schöpfung stets wandelnden, sich erneuernden flexiblen Seins!
Dieses Zeichen strahlt in die Welt als Zeichen des Widerstandes, des
Neubeginns!
Es ist das Symbol des Weiblichen gegen ihre unwürdige, brutale Unterjochung!
Es ist das Symbol eines Kampfes gegen die Besetzung durch die Jahrtausende, des
Widerstandes gegen die gewaltsame Vernichtung unserer Kultur!
Folge dem Symbol des weißen Pferdes – denn es ist das Symbol unseres wahren
Seins, und es ist seit zweitausend Jahren das Symbol der Befreiung!